Wo Brasilianer Urlaub machen
Die Copacabana, der Amazonas, die Wasserfälle von Iguazú – das verbinden die meisten Touristen mit Brasilien. Doch erst wer einmal in Santa Catarina war, kennt die wahre Vielfalt des größten Landes Südamerikas.
Von Steffen Rometsch aus Florianópolis
Freitag, 16 Uhr, André Macari legt den Telefonhörer auf, fährt den Computer herunter. Feierabend, Wochenende. Jetzt beginnt für André das wahre Leben, jetzt taucht er ein in die Welt seiner Vorfahren, in das Reich der Gauchos. Sein Geld verdient er unter der Woche als Umwelttechniker in einem Büro in Florianópolis. Doch so oft es geht, fährt der 35-jährige gut 100 Kilometer in die Bere, zur Familienfarm – tauscht Zwirn mit Zaumzeug.
Mehr als 250 Hektar Land umfasst die Fazenda Passo Velho bei Bom Jardim da Serra in rund 1400 Meter Höhe, die seit mehr als 100 Jahren in Familienbesitz ist. 150 Rinder und 80 Schafe weiden hier, dazu 30 Pferde, allesamt reinrassige Criollos – der ganze Stolz der Rinder- und Pferdezüchter. Die Tiere bleiben das ganze Jahr auf der Weide, sind nie im Stall. Sie ernähren sich von 36 verschiedenen Gräsern und Kräutern. „Ein Gaucho ist immer in Kontakt mit der Natur“, sagt André, der jetzt hohe Lederstiefel und eine weite Bombacha-Hose trägt, die typische Gaucho-Kluft. „Er lebt mit den Tieren und Pflanzen – Gaucho ist Freiheit.“ Deshalb wird er bald seinen Bürojob an den Nagel hängen. „ich wollte noch einen anderen Beruf lernen, aber ich kann es kaum erwarten, den Hof zu übernehmen.“ André erklärt die Lebensart der Gauchos auf seine Art:“Wenn bei euch ein Kind seinen zehnten Geburtstag feiert, bekommt es ein Handy geschenkt – bei uns freut es sich auf sein erstes Pferd.“
Auf der Fahrt vom Bergland über die Serpetinen der Passstraße Rio do Rastro, die über zwölf Kilometer von 1600 Meter auf Meereshöhe führt, wird deutlich, dass es die Natur ohne Zweifel gut gemeint hat mit Santa Catarina, einem der kleineren Bundesstaaten Brasiliens. Mit seinen gut 95000 Quadratkilometern ist der Landstrich etwas größer als Portugal, macht aber gerade einmal ein Prozent der Fläche Brasiliens aus. Drei völlig unterschiedliche Ökosysteme – die Küste mit ihren Traumstränden, der atlantische Regenwald und das Bergland – sind innerhalb von drei Autostunden zu erreichen. „Naturliebhaber können sich hier austoben“, sagt Michael Krämer, der vor sechs Jahren von Mainz nach Santa Catarina ausgewandert ist und dort eine Reiseagentur betreibt.
Fragt man Brasilianer nach ihrem Lieblingsziel im eigenen Land, wird Santa Catarina immer wieder an erster Stelle genannt, nicht zuletzt wegen seiner unglaublichen Vielfalt. Sao Joaquim ist die einzige Stadt des Landes, in der über mehrere Tage Schnee liegt. Keine 300 Kilometer östlich reiht sich ein Traumstrand an den anderen. Mittendrin die Hauptstadt Florianópolis, die zum größten Teil auf der vorgelagerten Ilha de Santa Catarina liegt und durch drei Brücken mit dem Kontinent verbunden ist. Die schönste von ihnen, die 819 Meter lange Hercílio-Luz-Brücke, steht unter Denkmalschutz und wird seit Jahren saniert. Sie ist die längste Hängebrücke Brasiliens und Wahrzeichen der Stadt. Rund 400 000 Menschen leben in Floripa, wie die Bewohner ihre Stadt liebevoll nennen.
42 offizielle und Dutzende kleine, geheime Sandstrände säumen die Küste der Insel, die sich über 60 Kilometer von Nord nach Süd und 18 Kilometer von Ost nach West erstreckt. Zu den schönsten Stränden gehören die Praia Joaquina und der Strand von Campeche. Beide sind ideal fürs Wellenreiten und zum Kitesurfen. Das Wasser ist kristallklar und sauber. Nicht zuletzt deshalb werden 80 Prozent der brasilianischen Austernproduktion in den Gewässern um Florianópolis gezüchtet – die Region ist größter Austernexporteur Lateinamerikas.
Florianópolis gilt als die Stadt mit der höchsten Lebensqualität in Brasilien. Wegen ihrer Landschaft und wegen der im Gegensatz zu Sao Paulo oder Rio de Janeiro geringen Kriminalität, die es auch Touristen erlaubt, zu jeder Tages- und Nachtzeit durch die lebhafte Metropole zu bummeln.
Im Süden des Bundeslandes lockt der Praia do Rosa in Imbituba vor allem zur Walbeobachtung. Seit 1980 steht der Walfang unter Strafe, seither ist hier das Zuhause unzähliger Glattwale. Bis zu 60 Tonnen schwer und 17 Meter lang können die Meereskolosse werden. Dagegen nimmt sich das Boot, mit dem Enrique Litman, Präsident eines lokalen Walschutzinstituts, die 50 Schaulustigen aufs offene Meer schippert, aus wie eine Nussschale. Entsprechend stark gerät der Kahn ins Schwanken, als einer der Wale samt Nachwuchs unter dem Boot durchtaucht. Doch den Passagieren, die sich krampfhaft a der Reling festhalten, versichert Litman: „Der wollte nur spielen.“
Santa Catarina
Anreise
Die größte Fluggesellschaft Südamerikas, TAM Airlines, fliegt täglich von Frankfurt nach Sao Paulo und von dort weiter nach Florianópolis. Zurück geht es jeden Montag, Mittwoch, Freitag und Sonntag über Rio de Janeiro nach Frankfurt. Flüge gibt es ab 1160 Euro (www.tamairlines.com) Wer eine Rundreise plant, kann den Brasilien-Airpass ab 532 Euro oder den Südamerika-Airpass ab 259 Euro nutzen.
Unterkunft
Das Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten reicht von der kleinen, familiengeführten Pousada bis zum Luxushotel. Zu einer der schönsten Unterkünfte in Santa Catarina zählt das Rio do Rastro Eco Resort. Inmitten üppiger Natur, 1500 Meter über dem Meer am höchsten Punkt der Serro do Rio gelegen, bietet das Resort den Eingang zum Nationalpark Sao Joaquim. Die 18 Chalets sind allesamt um einen See gruppiert, bieten Platz für zwei Personen und sind ab 185 Euro pro Nacht zu haben (www.riodorastro.com.br). Wer eine Unterkunft direkt am Strand sucht, findet mit dem Vida Sol e Mar in Imbituba (ab 143 Euro für zwei Personen, www.vidasolemar.com.br) oder der Pousada Natur Campeche in Florianópolis (ab 34 Euro für zwei Personen, www.naturcampeche.com.br) gute Alternativen.
Reisearrangement
Aventura do Brasil bietet eine 13-tägige Erlebnisreise durch Südbrasilien mit Regenwaldwanderung, Delfinbeobachtung, Reiten, Kanufahren und Sandboarden samt Vollpension, Übernachtung und deutschsprachiger Reiseleitung ab 1755 Euro an. Für Unterhaltung und Spaß garantiert der erfahrene, deutschsprachige Touristenführer Ademir Hoistaleck (www.aventuradobrasil.de).
Was Sie tun und lassen sollten
Verzichten Sie bei Wanderungen in den faszinierenden Regenwäldern nie auf festes Schuhwerk. Im Unterholz können sich jederzeit gefährliche Raupen oder unscheinbare, aber hochgiftige Schlangen wie die Jararaca tummeln. Um das brasilianische Nationalgetränk Caipirinha kommt man nicht herum. Wer nicht Vegetarier ist, sollte neben Austern unbedingt auch ein Churrasco, das auf dem Grill gebratenes Fleisch, probieren.
Allgemeine Informationen
Tourismusbüro Santa Catarina im Internet unter www.santacatarina-brasilien.de.
CMT
Santa Catarina ist Partnerregion der CMT und präsentiert sich in Halle 8, Stand C12.