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Reise und Freizeit: Donnerstag, 27. Dezember 2012 

Wale, Wein und harte Gauchos

Im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina finden sich viele Spuren europäischer Einwanderer

Von Jürgen Buchta
Touristisch hat Brasilien weit mehr zu bieten als Amazonas, Carneval und Ipanema. Im Süden pflegen Gauchos ihr hartes, doch freies Leben. Und vor der Küste versammeln sich die riesigen Glattwale zuhauf.
Santa Catarina tief im Süden Brasiliens, dort, wo der Äquator schon weit weg ist und die Temperaturen südeuropäischen Standard erreichen: Diesmal führt uns die Reise nicht ins „Europäische Tal“ mit seinem Völkergemisch aus Deutschen, Italienern, Polen, Ukrainern und Norwegern. Nicht nach Blumenau, dessen Oktoberfest sich innerhalb von drei Jahrzehnten zum zweitgrößten der Welt entwickelt hat. Ins Bergland des kleinen Bundesstaats sind wir gefahren. In die einzige Region Brasiliens, in der es Jahr für Jahr schneit und bis minus 15 Grad kalt werden kann. Ins Land der Gauchos. Jener geschichtenumwobenen Rinderzüchter und Farmer, die das Leben in der Natur heute noch genauso schätzen wie ihre Ahnen vor hundert Jahren. Selbst wenn die junge Generation ihr Geld längst in modernen Berufen verdient.
Andre, Hernani und Karim Macari, drei Brüder, haben sich fürs Wochenende viel vorgenommen. Einer ist Umwelttechniker, der zweite Ingenieur und der dritte arbeitet als Rechtsanwalt. Alle drei leben mit ihren Familien an der Küste, gute 100 Kilometer von der Fazenda Passo Velho bei Bom Jardim da Serra entfernt, der in 1400 Meter hoch gelegenen Farm ihrer Eltern. Auf 250 Hektar eigenem Land weiden 150 Rindern, 30 Pferde und 80 Schafe – ausschließlich im Freien. Alle drei Monate werden die Tiere zusammengetrieben, untersucht und geimpft. Den Rindern werden die Hörner gekappt. Die Jungbullen mit dem Lasso eingefangen, zu Boden gerungen und mit zwei, drei Messerschnitten kastriert. Wobei die Hoden als Delikatesse in der Bratpfanne landen. Tiere, die noch kein Zeichen der Familie tragen, kriegen eins aufgebrannt.
An diesem Wochenende ist es wieder so weit. Unterstützt von Nachbarn und Freunden haben die Brüder am Samstag bis tief in die Nacht hinein geschuftet. Um halb acht am Sonntagmorgen geht es schon weiter. Staub wirbelt in der Halle, in die die Tiere in kleinen Gruppen getrieben werden. Ein Geruchscocktail nach Kuh und Schaf, verbranntem Fell und Männerschweiß hängt in der Luft. Brenneisen glühen. Rinder blöken. Mutterschafe, noch auf der Weide, suchen lautstark ihre Lämmer. Männer fluchen. Wieder fliegt das Lasso ins Leere. Wieder mal durchbricht ein Tier die Absperrung. Die Arme in die Höhe streckend folgen ihm zwei Mann im Spurt. „Sicher“, pflichtet Andre Macari bei, mit 35 Jahren der mittlere des Trios: „Wir könnten die Arbeit effizienter angehen. Germanist, also durchrationalisiert nach der Art der Deutschen. Dann fehlte uns aber was, was mehr zählt in unserem Leben. Die Gauchotradition.“ Gauchotradition. Gaucholeben, was ist das? „Rein äußerlich sind das Stiefel, Bombacha (Hose), Hut, Halstuch, Matetee und das Messer am Gürtel“, zählt Macari auf. Weiterhin die Liebe zu den Criollo-Pferden. „Wenn bei euch ein Kind den zehnten Geburtstag hat, dann bekommt es ein Handy, bei uns freut es sich über sein erstes Pferd.“ Zum Gaucholeben zählt aber auch knochenharte Arbeit und jene Freiheit, die die Distanz zur modernen Gesellschaft bietet, die jeden Schritt ihrer Bürger zu regeln sucht und überwacht. Gauchos feiern gerne und pflegen ihre eigenen Lieder. Kaum ein Wochenende im Hochland von Santa Catarina, an dem sie nicht bei einem Rodeo ihre Geschicklichkeit mit Pferd und Lasso unter Beweis stellen. Ihre Frauen, die dabei in knöchellangen Röcken und bestickten Blusen bekleidet sind, nennen sie Prenda. Geschenk.
Argentinischer Wein, chilenischer Wein? Na klar, seit Jahren erobern gute Weine aus diesen Ländern auch den deutschen Markt. Aber Wein aus Brasilien? Mit Brasilien verbindet man Caipirinha, Cachaca (Schnaps) und Bier (um nochmals an Blumenau zu erinnern). Was kaum bei uns bekannt ist: In Brasilien befindet sich das drittgrößte Weinanbaugebiet Südamerikas. Die Reben haben italienische Einwanderer vor gut hundert Jahren mitgebracht. Für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 im eigenen Land haben sich die Winzer vorgenommen, ihre Tropfen weltweit bekannt zu machen.
Auch in Santa Catarina wird Wein produziert. Die Villa Francioni, die sich Dilor Freitas bei Sao Joaquim zur Bearbeitung seines Weins hat hinstellen lassen, lässt jeden deutschen Winzer vor Neid erblassen. Die Anlage ist in sechs Etagen so in den Hang gebaut, dass alle Fertigungsprozesse ohne den Einsatz von Pumpen hintereinander geschaltet sind. Freitas, der sich als steinreicher Eigentümer einer Keramikfabrik mit dem Ausbau von Spitzenweinen einen Lebenstraum erfüllen wollte, starb 2004 mit 71 Jahren an einem Herzinfakt – zwei Monate, bevor die Produktion begann. Seither führt seine Tochter die Geschäfte. Zehn Rebsorten, darunter Cabernet, Merlot und Sauvignon, auf 24 Hektar eigenem Land gezogen, füllen jährlich 150000 Flaschen. Der Praia do Rosa gilt als einer der schönsten Strände Brasiliens. Von den Terrassen der Pousada Vida Sol e Mar hat man freien Blick auf Dutzende Surfer, wie sie die weißen Wellenkämme reiten. Weit spektakulärer ist das, was sich ein paar Dutzend Meter dahinter im Meer abspielt. Wale, riesige, grauschwarze Tiere prusten dort Wasserfontainen, bewegen sich ein Stück weit an die Oberfläche und tauchen ab. 300, 400 Meter weiter beginnt das Spiel von Neuem.
Das Boot, mit dem wir hinaus gefahren sind, um den bis 17 Meter langen und 60 Tonnen schweren Kolossen möglichst nahe zu kommen, fasst 50 Leute. „Wir achten streng darauf, die Tiere nicht zu belästigen“, erläutert Enrique Litman, Präsident der organisierten Walschützer, der uns begleitet. Sobald Tiere in der Nähe vermutet werden, wird der Motor abgestellt. Es dauert keine zwei Minuten, da taucht der mächtige Kopf eines Tieres über den Wellen auf. Einige Sekunden lässt es sich gemächlich treiben, dann ist es wieder weg. Eine Station weiter bewegt sich ein Muttertier mit seinem Nachwuchs. Ein weiterer Wal taucht auf. Wie es vom Boot aus erscheint, nur einen Steinwurf von den Häusern am Strand entfernt. Tatsächlich nähern sich die Tiere bis auf 30 Meter der Küste.
„Das sind Glattwale“, erläutert Litman. „Zwischen Mitte Juli und Ende Oktober finden sich regelmäßig um die 120 Tiere bei uns ein. Hier sind sie seit 1970 vor Nachstellungen der Fischer geschützt. Sie finden reichlich Plankton, ihre Lebensgrundlage. Und sie können sich ihrem bei Geburt schon fünf Meter langen Nachwuchs widmen.“ Die Frau mit dem breiten US-amerikanischen Akzent grübelt. Einige zehntausend Kilometer lang sind die Küsten unseres Kontinents. Warum treffen sich die Wale gerade hier? Warum nicht anderswo? „Wahrscheinlich, weil unsere Küste zu den 30 schönsten auf der Welt gehört“, antwortet Litman mit einem Augenzwinkern.
Frische Meeresfrüchte und Wandertouren – Santa Catarina ist Partnerland der Messe CMT
Tipp für einen Führer: Bei der Aventura do Brasil Viagens (www.aventuradobrasil.de) nach Ademir Hoistaleck fragen. Der kenntnisreiche und witzige deutschsprachige Touristenführer begleitet und organisiert Wandertouren durch den urwüchsigen Regenwald bei Florianópolis bis zu Reitertouren durchs Bergland.
Für ein Restaurant: Das Austern und Fischrestaurant Ostradamus im hübschen, von Kolonialgebäuden geprägten Städtchen Ribeirao da Ilha (www.ostradamus.com.br). Inhaber Jaime Barcelos bezieht seine Meeresfrüchte jeden Tag frisch von einem der 80 Züchter auf der Insel.
Für eine Unterkunft: Das Rio do Rastro Eco Resort bei Bom Jardim da Serra in der kältesten Ecke Brasiliens (www.riodorastro.com.br). Die Chalets sind direkt an einem See erbaut. Die grünen Hügel rings herum dienen Schafen und Rindern als Weide. Man fühlt sich wie in eine andere Welt versetzt..
Santa Catarina ist Partnerland der Urlaubsmesse CMT, die vom 12. bis 20. Januar in Stuttgart stattfindet. www.messe-stuttgart.de
Diese Reise kam auf Einladung der Messe CMT Stuttgart und des brasilianischen Bundesstaates Santa Catarina zustande.
Info: Brasilianisches Touristikamt Embratur, 069/96238733, ebt.de@embratur.gov.br, www.braziltour.com