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Quilombolas – Traditionelle Gemeinden der Nachkommen entlaufener Sklaven

09.01.2023
Quilombolas entstanden zu Zeiten der Sklaverei in Brasilien

Brasilien ist das Land mit den meisten Einwohnern afrikanischer Abstammung außerhalb Afrikas. Heute spiegelt sich das afrikanische Erbe in jedem Aspekt der brasilianischen Kultur wider. Doch bis heute erkennt die brasilianische Gesellschaft dieses Erbe nicht offiziell an.

Quilombo“ oder „Quilombola“ ist die Bezeichnung für eine Gemeinde geflohener Sklaven. Diejenigen, die in Zeiten der Sklaverei von den Kaffee- und Zuckerrohrplantagen flohen und sich der Gewalt und Ausbeutung durch das Kolonialsystem widersetzten, sammelten sich in den abgelegenen Wäldern Brasiliens und bildeten die Quilombos. Die Quilombolas, was in der Bantusprache „Siedlungen“ bedeutet, wurden so zu wichtigen Zufluchtsorten und zu einem Symbol des Widerstandes gegen die Sklaverei. In Ihrem Brasilien Urlaub können Sie durchaus mit Quilombola-Gemeinschaften in Kontakt kommen.

Die anhaltenden Folgen des Sklavenhandels

Während der Zeit des Atlantischen Sklavenhandels brachte Brasilien mehr afrikanische Sklaven ins eigene Land als jede andere Nation. Zwischen 1501 und 1866 wurden etwa 5 Millionen Sklaven aus Afrika nach Brasilien gebracht. In dieser Zeit sind Zufluchtsorte, die so genannten Quilombolas, durch entflohene Sklaven entstanden. Der größte und bekannteste Quilombo war der von Palmares im heutigen brasilianischen Bundesstaat Alagoas, der zeitweise zwischen 20.000 und 30.000 Einwohner hatte. Die Siedlung bestand von 1630 bis 1694 und widerstand mehreren Eroberungsversuchen durch portugiesische Kolonisatoren, bis sie von einer Truppe unter dem Kommando des berüchtigten Bandeirante Domingos Jorge Velho vollständig zerstört wurde. Der Todestag von Zumbi, dem legendären letzten Anführer des Quilombo dos Palmares, am 20. November 1695 wird heute von der afrobrasilianischen Bewegung als „Dia da Consciência Negra“, „Tag des schwarzen Bewusstseins“, gefeiert.

Erst im Jahr 1888 schaffte Brasilien als letztes Land der westlichen Welt die Sklaverei endgültig ab. Als Nachkommen afrikanischer Sklaven sind viele Quilombola-Gemeinden auch heute noch mit verschiedenen Formen des Rassismus konfrontiert.

Ein schweres Erbe

Seit vielen Jahren tobt ein Streit über das Erbe der Quilombolas und ihr verfassungsmäßiges Recht darauf. Seit 1988 haben die Quilombolas Anspruch auf eine Eigentumsurkunde für ihr Land. Nach der Abschaffung der Sklaverei gab es keine Maßnahmen zum Schutz der geflohenen Sklaven oder zur Unterstützung ihrer Integration in die Gesellschaft. Nur wenige von ihnen haben seitdem offizielle Landtitel erhalten. So haben beispielsweise von 44 Quilombo-Gemeinden im Bundesstaat Rio de Janeiro nur fünf offizielle Landrechte.

Ein weiteres Problem ist der Zugang zu Bildung. Bereits 1824 wurde der Zugang zu Bildung als Gesetz in der brasilianischen Verfassung verankert. Damals galten die Nachkommen afrikanischer Sklaven jedoch nicht als legale Bürger und hatten kein Recht auf Bildung. Infolgedessen ist das Bildungsniveau in vielen Quilombola-Gemeinden bis heute sehr niedrig. Auch heute noch müssen viele Kinder ihre Gemeinden verlassen, um zur Schule zu gehen. Viele dieser Schulkinder schließen ihre Ausbildung nicht ab und haben später Probleme, einen guten Arbeitsplatz zu finden.

Verankert in Brasilien

Heutzutage konzentrieren sich die derzeitigen Aktivitäten der Quilombolas auf zwei Bundesstaaten im Norden und Nordosten Brasiliens, die auch zu den vier Bundesstaaten mit der höchsten Anzahl an registrierten Quilombolas in Brasilien gehören. Diese sind Maranhão und Pará mit über 1.000 von insgesamt 3.467 Gemeinden, die von der „Palmares Cultural Foundation“ der Bundesregierung kartiert wurden.

Obwohl die große Mehrheit der Quilombola-Gemeinden in ländlichen Gebieten zu finden ist, gibt es auch Quilombos in städtischen und stadtnahen Gebieten. Einige dieser Gemeinden haben sogar zur Gründung von Städten beigetragen, wie im Falle des heutigen Stadtteils „Cabelo Seco“ in der Stadt Marabá in Pará.

Gemeindebasierter Tourismus als Weg zur Heilung

Das afrikanische Erbe in Brasilien ist ein wesentlicher Bestandteil des sozialen, historischen und wirtschaftlichen Fundamentes des Landes. Obwohl dieser Teil der Geschichte nie niedergeschrieben wurde, hielten und halten mündliche Überlieferungen die Erinnerungen lebendig. Der ethnische Tourismus in Brasilien spielt eine zentrale Rolle dabei, individuelle und kollektive Erinnerungen zusammenzubringen und die Traditionen und Werte der marginalisierten Quilombola-Gemeinden zu würdigen. Der gemeindebasierte Tourismus bietet die Möglichkeit, die Geschichte und Kultur der Quilombolas für Besucher sichtbar zu machen und gleichzeitig eine Einkommensmöglichkeit für die lokalen Gemeinden zu schaffen.

Indem sie ihre eigenen Geschichten erzählen, bringen die Gemeinden den Reisenden die Realität des Kampfes und des Widerstandes der Quilombolas nahe und gewinnen Wertschätzung für ihre Kultur und ihr Land. Der gemeindebasierte Tourismus ermöglicht in diesem Fall einen Dialog und bringt Geschichten zum Ausdruck, die jahrhundertelang unsichtbar waren.

Geschichten und Traditionen teilen

Der Quilombo do Grotão, eine kleine Gemeinde in Niterói im Bundesstaat Rio de Janeiro, öffnet zum Beispiel seine traditionellen Samba-Treffen für interessierte Besucher und Reisende. Bei diesen so genannten Rodas gibt es verschiedene Formen des Samba: eine ursprüngliche Form namens Samba de Raiz, einen Glaubenssamba, der am ersten Sonntag eines jeden Monats stattfindet und einen Beschützer oder Heiligen, eine Orixá, ehrt und einen Frauensamba, bei dem nur Frauen singen und musizieren. Auf Anfrage können auch andere Veranstaltungen gemeinsam mit der Gemeinde geplant werden, wie zum Beispiel Capoeira und Unterricht über die Geschichte des Samba.

Die Zukunft in den eigenen Händen

Für die Quilombola-Gemeinden bietet sich durch den Tourismus die Möglichkeit, ihre Probleme sichtbar zu machen und für ihre Rechte einzutreten. Sie nutzen ihr afrobrasilianisches Erbe und ihre starke Bindung an ihr Land als eine Form des Widerstandes gegen kulturelle Auslöschung, zunehmende Umweltzerstörung und Rassismus. Ihre Geschichte zu erzählen und zu teilen ist ein wichtiger Weg, um ihre Kultur zu stärken und das Bewusstsein für die Probleme der Quilombola-Gemeinden zu schärfen. Bei einer Brasilien Reise ist es bereichernd, auch die Geschichte der entkommenen Sklaven zu hören!

Quellen: www.dw.com, www.meli-bees.org, www.tourism-watch.de, www.wikipedia.org

Quelle: Aventura do Brasil