Oscar Niemeyer: Der Architekt, der Brasília entworfen hat
Der Wegbereiter der modernen Architektur Brasiliens
Ob in Rio de Janeiro, Belo Horizonte, Brasília oder Curitiba, an vielen Orten werden Ihnen auf einer Brasilien Reise Bauwerke begegnen, die der berühmte brasilianische Architekt Oscar Niemeyer entworfen hat. Er wird oft als der Wegbereiter der modernen brasilianischen Architektur beschrieben. Nur wenige haben das Glück, länger als eine ganze Epoche zu leben und somit direkte Beobachter der Veränderungen innerhalb dieser Epoche zu sein. Oscar Niemeyer war einer dieser wenigen Protagonisten und einer der revolutionärsten und langlebigsten Architekten des 20. Jahrhunderts. In seinen 104 Lebensjahren ist es ihm gelungen, auf der ganzen Welt ein unauslöschliches Zeichen zu hinterlassen.
Er wurde 1907 in Brasilien geboren und ist seit den 1930er Jahren mit der modernen Bewegung der Architektur verbunden. In Lateinamerika hat sie einen ganz eigenen Stil angenommen, welcher sicherlich auch durch den politisch-ideologischen Kontext geprägt wurde. Niemeyer war ein Pionier der modernen brasilianischen Architektur, welcher Nützlichkeit und Poesie miteinander kombinierte. Er benutze eine futuristische und plastische Formensprache, in die er viele Kurven und weiche Konturen einbaute. Auch das Verhältnis zwischen freiem Raum und Volumen war bei ihm stets ausgewogen. Schon früh setzte er als Baumaterial fast nur Stahlbeton ein. Seine Werke verloren jedoch nie an Funktionalität, wie man es von den Werken der großen Meister, wie beispielsweise Le Corbusier, gewohnt war.
Die Anfänge einer internationalen Karriere
Große Geschichten können zufällig beginnen. Oft reicht es, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Der junge Niemeyer schrieb sich an der Nationalen Kunsthochschule (Escola Nacional de Belas Artes) in Rio de Janeiro ein und machte 1934 seinen Abschluss als Ingenieur und Architekt. Dort traf er Lúcio Costa, einen Vertreter der modernen brasilianischen Bewegung. Nach seinem Studium begann er dann im gemeinsamen Atelier von Lúcio Costa und Carlos Leão zu arbeiten.
1935 bot sich eine einmalige Gelegenheit. Der Wettbewerb für die Gestaltung des Bildungs- und Gesundheitsministeriums in Rio de Janeiro und die Ausführung des Projektes wurde ihrer Firma anvertraut. Die Regierung ernannte den einflussreichen schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier zum Berater, um mit der lokalen Gruppe von Designern zusammenzuarbeiten, darunter auch Niemeyer, der 1939 die Leitung des Teams übernahm. Es handelt sich um eine der ersten konkreten Umsetzungen der modernen Architektur in einem Gebäude, das alle klassischen Elemente der modernen Bewegung beinhaltet: die Pilotis (Pfeilerkonstruktion), das Gartendach, das Pan de Verre (Glaswand), den Brise-Soleil (eine Art Sonnenschutz). Ein funktionaler Wolkenkratzer, der das umliegende Land und die unter dem Gebäude eingefügten großen öffentlichen Räume optimal nutzt.
Die Geschichte des brasilianischen Architekten setzt sich in den nächsten zwei Jahrzehnten mit immer wichtigeren Aufträgen wie dem brasilianischen Pavillon auf der New Yorker Weltausstellung und später dem Sitz der Vereinten Nationen fort. Endlich gab es ein internationales Publikum für die brasilianische Interpretation der europäischen Moderne.
In den Jahren 1942 und 1943 baute er auf Einladung des Bürgermeisters Juscelino Kubitschek de Oliveira das Ensemble der Moderne in Pampulha, einem Vorort von Belo Horizonte. Darunter auch die Kirche St. Franziskus von Assisi, die die kirchlichen Behörden wegen ihrer innovativen Formen bis 1959 nicht einweihen wollten.
„Der rechte Winkel zieht mich nicht an, und auch nicht die gerade, harte inflexible Linie, die der Mensch geschaffen hat. Was mich anzieht, ist die freie und sinnliche Kurve, die ich in den Bergen meines Landes finde, im mäandernden Lauf seiner Flüsse, in den Wolken des Himmels, im Leib der geliebten Frau. Das ganze Universum ist aus Kurven gemacht. Das gekrümmte Universum Einsteins.“ Oscar Niemeyer, 1996
Brasília – Niemeyers bekanntestes Projekt
Doch erst mit der Gründung von Brasília, der neuen Hauptstadt Brasiliens, die in nur vier Jahren zwischen 1956 und 1960 im Landesinneren Brasiliens errichtet wurde, verschmilzt der Mythos des brasilianischen technisch-industriellen Fortschritts mit Architektur und Stadtplanung. Juscelino Kubitschek de Oliveira, der in der Zwischenzeit zum Präsidenten des Landes gewählt wurde, beauftragte Niemeyer mit der Organisation eines Wettbewerbes für den Bau der neuen Stadt Brasília. Das Projekt von Lúcio Costa war der Gewinner und so zeichnete Oscar Niemeyers alter Freund den Stadtplan, während er selbst die Gebäude der wichtigsten Institutionen entwarf: den Präsidentenpalast, den Obersten Gerichtshof und den Kongress, einige Ministerien und die außergewöhnliche Kathedrale.
Im Jahre 1964, zwei Jahre nach der Machtergreifung durch das Militär, ging Niemeyer auf Grund seiner Mitgliedschaft in der Brasilianischen Kommunistischen Partei nach Frankreich ins Exil. Auch während seiner Zeit im Exil entwarf er neue Werke, wie zum Beispiel das Verlagshaus von Mondadori in Mailand, die Zentrale der kommunistischen Partei in Paris und das Haus der Kultur in Le Havre. Er konnte gegen Ende der 1960er Jahre seine Arbeit in Brasilien fortsetzen und lehrte dabei auch an der Universität in Rio de Janeiro. Doch erst in den 1980er Jahren konnte er gänzlich nach Brasilien zurückkehren.
Oscar Niemeyer hat sein ganzes Leben lang ohne Unterbrechung Gebäude und Projekte entworfen und dabei die Verbindung zu seinem visionärsten Projekt Brasília aufrechterhalten. 1987 wurde die moderne Hauptstadt Brasília von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Falls Sie mehr über den brasilianischen Architekten, sein Leben und seine Werke erfahren möchten, schauen Sie sich den Dokumentarfilm „Oscar Niemeyer – Das Leben ist ein Hauch“ (Originaltitel: „Oscar Niemeyer – A vida é um sopro“) an. Oder machen Sie während Ihres nächsten Brasilien Urlaubes einen Stopp in der brasilianischen Hauptstadt und schauen Sie sich seine Werke aus der Nähe an!
Quellen: www.architekt.de, www.floornature.de, www.niemeyer.org.br, www.wikipedia.org