Abfallentsorgung und Recycling in Brasilien
Brasilien ist ein Land der Superlative. Das größte Land Südamerikas, das artenreichste Land der Erde, und der Amazonas ist der wasserreichste Fluss der Welt. Hier ist alles größer, bunter, intensiver. So steht Brasilien auch an erster Stelle beim Recycling von Aluminiumdosen und PET-Flaschen, mit Quoten von über 98 Prozent. Gleichzeitig ist es aber auch das Heimatland der größten Müllhalde Südamerikas. Diese zwei Gesichter zeigt uns Brasilien, wenn es um die Entsorgung von Abfällen geht.
Die Catadores – Brasiliens Müllsammler
Wer selbst schon einmal eine Brasilien Reise unternommen hat, kennt sie, die Catadores. Als private Müllsammler Brasiliens schultern sie den Abfall der Megastädte. Wie viele andere Schwellenländer, entwickelte sich Brasilien in den letzten Jahren so rasch, dass Infrastruktur und Abfallentsorgung nicht hinterherkamen. So machten es sich Menschen zum Beruf, auf Straßen und Deponien wiederverwertbare Abfälle einzusammeln, um diese an Firmen zu verkaufen, die daraus Recyclingrohstoffe gewinnen. Die Catadores sind von der Gesellschaft geächtet, dennoch ist ihre Funktion unersetzbar. Ihnen ist zu verdanken, dass nahezu jede Cola- und Bierdose in Brasilien recycelt wird. In der Millionenstadt Belo Horizonte zum Beispiel, sammeln die Catadores viermal so viel Abfall wie die Stadt.
Oft sind es Frauen ohne Bildung, die keine Arbeit finden und unter gesundheitsschädlichen Bedingungen Müll sammeln und diesen weiterverkaufen. Die Firmen erhalten rund 90 Prozent des Profits, den Catadores bleiben nur etwa 10 Prozent. Dennoch ist ihre Situation heute deutlich besser als noch vor 20 Jahren. Das Müllsammeln ist inzwischen als Beruf anerkannt, und organisierte Müllsammler werden als legitime Interessenvertreter angesehen, die ihre Meinung auf lokaler, bundesstaatlicher und nationaler Ebene äußern können. Zudem entwickelt das nationale „Solid Waste and Carbon Finance Project“ Strategien zur Einbindung von Abfallsammlern in lokale Abfallwirtschaftssysteme.
Die Fußball-WM 2014 – Start eines modernen Recyclingprojektes
Während die Zusammenarbeit zwischen den Catadores und Recyclingunternehmen gut funktioniert, hinkt der öffentliche Sektor mit seinen Aufgaben häufig hinterher. So hatten 80 Prozent der brasilianischen Gemeinden bis Anfang 2014 noch keinen Plan für ihr Abfallmanagement. Im Zuge der Fußball-WM 2014 in Brasilien sollte dies jedoch geändert werden. Die bis dato größte Müllhalde Südamerikas „Jardim Gramacho“ wurde 2012 in Rio de Janeiro beseitigt und durch eine moderne Recyclinganlage ersetzt. Die recycelten PET-Flaschen wurden zur Herstellung der Stühle des neu erbauten Stadions in der Hauptstadt Brasília verwendet.
Auch die größte Müllkippe vor den Toren Brasílias wurde Anfang 2018 geschlossen und durch eine moderne Deponie und Sortieranlage ersetzt. Fast 1.000 ehemalige Catadores wurden an den modernen Anlagen angelernt. Als Modell für andere brasilianische Städte arbeitet man landesweit mit Universitäten zusammen und bildet Ingenieure im Fachbereich nachhaltige Abfallwirtschaft aus. Das Ziel ist, dass die ganze Industrie Brasiliens deutlich klimafreundlicher werden soll.
Vorreiter Curitiba – Die „grüne Hauptstadt Lateinamerikas“
Dass Brasilien auf einem guten Weg ist, beweist Curitiba, die „grüne Hauptstadt Lateinamerikas“. Der langjährige Bürgermeister Jaime Lerner gilt als Gründungsvater der ökologischen Stadt und Erfinder der nachhaltigen Stadtentwicklung. Durch sein Engagement wurde auf den Anhöhen Curitibas ein Grüngürtel angelegt, der selbst nach europäischen Maßstäben außergewöhnlich ist. Es wurden eine Million Bäume angepflanzt, die als grüne Lunge die Stadt zieren, und in den Parks wurden Pavillons aus einfachsten Materialien errichtet, die sich bestens in die Landschaft einfügen. Die Pavillons sind das Markenzeichen der Hauptstadt Paranás, auf die die Einwohner Curitibas besonders stolz sind. Der Glaspalast ist besonders beliebt. Dieser wurde 1991 innerhalb kürzester Zeit aus recycelbaren Metallröhren, Drähten und Glas errichtet. Auch die Ópera de Arame wurde in den Rückstaugebieten des Grüngürtels gebaut und wächst fast organisch aus einem bewaldeten Feuchtgebiet heraus. Die Oper mutet wie ein kleines Wasserschloss an, das definitiv einen Besuch lohnt! Dort, wo sich heute ein Botanischer Garten in Curitiba ausbreitet, gab es früher eine stinkende Müllkippe.
Jaime Lerner wollte in den neunziger Jahren auch die Lebensverhältnisse in der Innenstadt verbessern und sich gegen die Probleme des Bevölkerungswachstums stemmen. So rief er die Aktion „Müll, der kein Müll ist“ ins Leben, die sich als eine erfolgreiche Methode der Mülltrennung durchsetzte. Die Bewohner der Favelas werden motiviert, den verwertbaren Abfall in ihren Siedlungen einzusammeln und an bunt bemalte Müllwagen abzuliefern, um als Gegenleistung Busfahrscheine, Schulhefte, Gemüse oder Obst zu erhalten. Dieses System wurde später auch von anderen Städten aufgegriffen und wird noch heute praktiziert.
Auch europäische Städte können sich ein Vorbild am Abfallmanagement Curitibas nehmen. Denn wen motiviert es nicht, für Recycling belohnt zu werden?
Wenn Sie neugierig sind, die am besten organisierte und sauberste Stadt Südamerikas zu erleben, sollten Sie Curitiba in Ihrem Brasilien Urlaub unbedingt einen Besuch abstatten!
Quellen: www.dw.com, www.taz.de, www.wertstoffblog.de